01/07/2021

Wirtschaft weiter denken: Mitunternehmer sein statt Mitarbeiter

Michael Fuhlrott kehrte nach Ausbildung und dualem Studium in BWL aus Frankfurt/Main zurück in seine Heimat Dingelstädt, wo ihm beim Baudienstleister und Projektentwickler Krieger + Schramm die Chance des Berufseinstiegs geboten wurde. Nach kurzer Zeit als Praktikant erkannte Geschäftsführer Matthias Krieger früh das Potential, und sie bauten gemeinsam das Personalmanagement auf. Seit 2011 verdreifachte Krieger + Schramm die Zahl der Mitunternehmer sowie den Umsatz, gründete zwei neue Niederlassungen und etablierte die Mitunternehmer-Kultur.

Herr Fuhlrott, weshalb wird in Ihrem Unternehmen nicht von Mitarbeitern, sondern von "Mitunternehmern" gesprochen?

Allgemein ist zu unterscheiden zwischen Abarbeitern (arbeitet ab), Mitarbeitern (arbeitet ab, denkt mit) und Mitunternehmern (arbeitet ab, denkt mit, denkt weiter). In der Vergangenheit beruhte die Unternehmenskultur auf autoritären Befehlssystemen: Arbeiter sollten reibungslos als fremdbestimmtes „Rädchen“, eingegliedert in die betriebliche Maschinerie, funktionieren.

Die Arbeitskultur der Gegenwart ist durch Mitbestimmung und flache Hierarchien geprägt. Gerade im Mittelstand geht eine geringe Anzahl von Führungsebenen mit einer Unternehmenskultur einher, die durch Offenheit (z.B. gute Kommunikationsflüsse zwischen Projektgruppen und Abteilungen) geprägt ist. Wir haben schon früh erkannt, dass der Erfolg des Unternehmens abhängig ist von der Einstellung der Menschen, die für das Unternehmen arbeiten. Es ist schön zu sehen, wenn sie sich mit Herzblut, Weitsicht und Motivation ihren Aufgaben widmen - eben wie ein Unternehmer.

Was macht ihre Mitunternehmer-Kultur aus?

Sie fördert die Eigenverantwortung und verschafft möglichst jedem, stärkenorientiert, seinen beruflichen „Abenteuerspielplatz“, auf dem er sich wohlfühlt und sich entfalten kann. Natürlich werden auch Planung und Kontrolle nicht vernachlässigt, wichtig sind allerdings auch genügend Freiräume für Entwicklungen und ein Rahmen für die positive Identifikation der Mitunternehmer. Unsere Mitunternehmerkultur fordert beispielsweise jeden auf, seinen individuellen Schulungsbedarf selbstständig zu ermitteln und im Team abzustimmen. Auch möchten wir Lust machen, nicht nur im Unternehmen, sondern auch am Unternehmen zu arbeiten. Alle können an der nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens mitgestalten und an Prozessen, Geschäftsideen oder Innovationen teilhaben.

Welche Rahmenbedingungen braucht es, um ein guter Mitunternehmer zu sein?

Eine laufende Balance von Freiraum und Verbundenheit, Sinnstiftung, Identifikation und Orientierung. Hierbei spielen auch Werte eine zentrale Rolle. Sie tragen dazu bei, Vertrauen aufzubauen und bestimmen den Rahmen, innerhalb dessen wir uns dabei bewegen. Themen wie Employer Branding, Führungskräfteentwicklung, strategische Ausrichtung der Personalarbeit an der Unternehmensstrategie, Talentemanagement und Nachwuchsförderung sowie die Vermittlung von Werten beschäftigen Personalverantwortliche heute am meisten.

Seit wann wird bei Ihnen mit dieser Bezeichnung gearbeitet?

Das Wording haben wir erst Anfang 2019 konsequent eingeführt und umgesetzt: aus Mitarbeiter-Gesprächen wurden Mitunternehmer-Gespräche, aus der Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung wurde die Mitunternehmer-Gewinnbeteiligung, aus der Unternehmens-Kultur wurde Mitunternehmer-Kultur. Es wirkt im ersten Moment lediglich wie der Austausch von Worten, aber es beschreibt jene Kultur, die wir seit der Gründung aufgebaut und gestaltet haben - es war also letztlich nur konsequent und logisch, dem Ganzen den richtigen Namen zu geben

Sind die Mitarbeiter am Umsatz des Unternehmens beteiligt? Welche Modelle gibt es?

Am Umsatz nicht, aber am Gewinn - seit 2011 werden jährlich, im Zuge der Mitunternehmer-Gewinnbeteiligung, 10% des Gewinns der Unternehmensgruppe an alle Mitunternehmer ausgeschüttet. Wir fördern damit noch mehr das eigenverantwortliche, wirtschaftliche und zielgerichtete Handeln. Die Mitunternehmer können durch ihre Arbeit direkt die Höhe ihrer persönlichen Prämie beeinflussen - und der Wille und die Motivation gemeinsam an den Zielen zu arbeiten steigt. Man hilft sich gegenseitig.

Darüber hinaus gibt es noch die Kapitalbeteiligung: Die Mitunternehmer haben die Möglichkeit, sich als stiller Gesellschafter am Unternehmen zu beteiligen. Durch eine Einmalzahlung oder monatliche Sparraten zahlen sie Kapital ein, durch steuer- und sozialversicherungsfreie Zuzahlungen erhöht Krieger + Schramm den "Topf", der dann mit der Umsatzrendite der Unternehmensgruppe verzinst wird. Die Beteiligung läuft dann fünf bis sieben Jahre - durch die Zulagen und den Zinseszinseffekt erhält man am Ende der Laufzeit eine stattliche Gesamtverzinsung.

Wird dies von vielen Mitunternehmern angenommen?

Fast 80% der Mitunternehmer nehmen diese Chance wahr - ein super Ergebnis. Und auch dieses Modell fördert wieder das weitsichtige Handeln aller Beteiligten - auch hier haben die Mitunternehmer direkten Einfluss auf die Verzinsung, denn sie gestalten und erzielen ja die entsprechende Umsatzrendite.

Wie hoch ist die Gewinnbeteiligung?

Die Gewinnbeteiligung liegt insgesamt bei 10 % des Gewinns der Unternehmensgruppe - verteilt über einen konkreten Schlüssel erhalten die Mitunternehmer zwei Prämien pro Jahr, in verschiedenen Höhen. Dies kann in der Regel auch ein Monatsgehalt übersteigen. Bei der Kapitalbeteiligung liegt die Umsatzrendite und damit die Verzinsung zwischen 3 % und 6 % - durch die Zulagen und Zinseszins werden Verzinsungen über 10 % p.a. möglich.

Vielen Dank für das Gespräch.

_____________

 

Das Interview wurde geführt von Dr. Alexandra Hildebrandt.
Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widmet sich Dr. Alexandra Hildebrandt den Visionären von heute und den Gestaltern von morgen. Beim Verlag Springer Gabler gab sie 2018 das gleichnamige Managementbuch sowie die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement heraus.

share